Mafia Island, Oktober-November 2022 – Zurück auf der Insel
04.11.2022
Vielleicht sollte ich erst einmal kurz erklären, wie ich überhaupt auf Mafia Island gelandet bin: Nach meiner Schulzeit habe ich mir Zeit für Praktika und Auslandsaufenthalte genommen, um herauszufinden, was ich überhaupt einmal machen möchte. Nach einem Auslandsaufenthalt in Australien, wo ich tauchen gelernt habe, war ich fasziniert von der Unterwasserwelt und wollte der Möglichkeit nachgehen, Meeresbiologin zu werden. Von Oktober 2016 – März 2017 habe dann ein Praktikum auf Mafia Island in Tansania gemacht in einem Projekt, das sich für den Schutz und die Erforschung von Walhaien einsetzt (Kitu Kiblu, Responsible Marine Encounters). Bei diesem Praktikum hatte ich so viel Spaß, dass ich am liebsten gleich dortgeblieben wäre. Mein Chef, Jean, hat mir aber gesagt, dass Ausbildung und Studium erst einmal Vorrang haben und dass ich erst dann zurückkommen kann, wenn ich damit fertig bin. Dass ich wirklich einmal fünf Jahre später zurück bin, haben wir aber zu dem Zeitpunkt wahrscheinlich beide nicht wirklich geglaubt (:-)). Nach meinem Praktikum und während meines Studiums bin ich häufig in den Semesterferien zurück auf die Insel geflogen, einmal sogar auch mit meiner Zwillingsschwester Jennie. Hierher zurückzukommen hat sich jedes Mal so angefühlt wie nachhause zu kommen, vor allem, weil ich über die Jahre sehr enge Freundschaften hier aufgebaut habe und ich mich jedes Mal gefreut habe, die Leute hier wiederzusehen. Als sich mein Masterstudium dann dem Ende zuneigte bekam ich das ernstgemeinte Angebot von Jean, auf Mafia Island in einem Korallenriffrestaurations-Projekt zu arbeiten und hier sogar hier zu promovieren. Die Entscheidung, dieses Angebot anzunehmen war zwar nicht wirklich schwierig, Bedenkzeit habe ich mir aber trotzdem genommen, denn Kiel nach fünf Jahren zu verlassen und neue Wege zu gehen war doch ein großer Schritt, denn auch dort hatte ich mir in den letzten fünf Jahren viel aufgebaut und erarbeitet. Letztlich war ich aber froh über die Chance, meine Komfortzone zu verlassen und das zu machen, worauf ich richtig Lust habe. Hauptsächlich werde ich mich nun auf Mafia Island mit der Restauration der Korallenriffe beschäftigen und versuchen, damit einhergehende Veränderungen in der Biodiversität zu beobachten, die ein wichtiger Indikator für die Gesundheit eines solchen Ökosystems ist und damit den potentiellen Erfolg solcher Restaurationsbemühungen aufzeigen kann. Die Korallenriffe vor Ort haben vor allem während der Corona-Pandemie stark unter destruktiven Fischereitechniken wie Schleppnetzfischerei und sogar Dynamitfischerei gelitten. Die Lokalbevölkerung hier bezieht den allergrößten Teil ihres Einkommens aus dem Tourismus (wie tauchen und schnorcheln) und der Fischerei und der Wegfall des Tourismus bedingt durch die Pandemie hat den Fokus auf die Fischerei gelegt. Große Teile der Korallenriffe hier wurden dadurch in kürzester Zeit zerstört. Die Gesundheit der Korallenriffe ist aber von essenzieller Bedeutung für die Lokalbevölkerung, die von Produkten der Korallenriffe wie Fisch als Nahrungsmittel, aber auch Tourismus als Einkommensquelle, abhängt. Ziel des Projektes ist es, die zerstörten Riffstrukturen wiederherzustellen um zu gewährleisten, dass auch zukünftige Generationen von den Produkten ihrer Korallenriffe profitieren können. Ein besonderer Fokus wird dabei auf das Einbeziehen der Inselbewohner:innen gelegt, von denen einige selber zu „Korallengärtner:innen“ ausgebildet werden sollen, um Verantwortung für ihre Riffe zu übernehmen. Denn das langfristige Ziel ist es, dass die Lokalbevölkerung sich selbst für den Schutz und Erhalt ihrer Korallenriffe einsetzt. Dazu bedarf es aber noch mehr an Bildungsangeboten, denn momentan ist Meeresbiologie noch nicht Teil des Lehrplans in den Schulen und somit wissen viele Inselbewohner:innen gar nicht um den Wert ihrer Korallenriffe. Diese befinden sich nämlich unter der Wasseroberfläche und sind somit unzugänglich für den allergrößten Teil der Bevölkerung und die Korallen werden von vielen lediglich als Steine angesehen. Dass dies aber Lebewesen sind, welche die Grundlage für das Leben hier Unterwasser bilden und damit für den Nachwuchs von Fischen sorgen, ist den meisten Menschen hier nicht bewusst. Deshalb wurde hier im Rahmen des Projektes außerdem der „Coral Conservation Club“ gegründet, dessen Mitglieder (Schüler:innen im Alter zwischen 10-18 Jahren) in der Ökologie und Biologie von Korallenriffen unterrichtet werden und außerdem schwimmen und tauchen lernen können. Ziel ist es, dadurch schon in den jungen Generationen ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Korallenriffe zu schaffen und hoffentlich Meeresbiolog:innen von der Insel hervorzubringen, die sich in Zukunft selber für deren Erhalt einsetzen und ihre Mitmenschen sensibilisieren. Ich schätze mich sehr glücklich, Teil dieses Projektes zu sein. Ich bin davon überzeugt, dass letztendlich nur die Menschen vor Ort einen wahren Unterschied machen können und selber dazu ermächtigt werden sollten, dies auch tun zu können.
Ich bin nun seit etwa dreieinhalb Wochen hier und leite alle wichtigen Schritte für meine Promotion in die Wege. So konnte ich mich schon mit einigen Menschen hier vor Ort treffen, wie zum Beispiel mit Mitarbeiter:innen des Marine Parks und außerdem kommt heute Nachmittag mein Doktorvater Prof. Peter Schupp aus Oldenburg auf der Insel an, um sich auch ein Bild von den Bedingungen vor Ort zu machen. Zurück auf Mafia zu sein ist ein wirklich schönes Gefühl und ich wurde extrem herzlich von den Leuten hier aufgenommen. Umso mehr möchte ich mich jetzt darum bemühen, die Landessprache Kisuahli besser zu lernen, um mit den Menschen hier interagieren zu können, die häufig kaum oder nur sehr wenig englisch sprechen. Ich wohne momentan im selben Camp wie schon während meines Praktikums hier vor sechs Jahren (mit dem Unterschied, dass ich nun das Privileg eines eigenen Zimmers habe :-)). Seitdem hat sich hier wirklich viel getan und ich fühle mich hier sehr wohl. Unser Camp liegt direkt am Wasser mit Blick auf die Mangroven und über das Wetter kann man sich hier natürlich auch nicht beschweren. Ich habe das Gefühl, endlich da angekommen zu sein, wo ich mich vor dem Studium einmal gesehen habe und kann jede und jeden nur dazu ermutigen, die eigenen Träume nicht aufzugeben und hartnäckig zu bleiben. Ich bin gespannt, was mich in nächster Zeit so alles hier erwartet und freue mich darauf, von meinen Erlebnissen hier zu berichten.